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Nachhaltigkeit nur ein Modewort?


von Axel Nachtigall

„Nachhaltigkeit, auf den ersten Blick vielleicht ein Kind des Ökologiegedankens, ist mittlerweile zum Modewort geworden…

Es lohnt sich jedoch, diesen Begriff ein wenig genauer zu betrachten. Zumal wir in einer Zeit leben, in der Wörter und Begriffe sehr plakativ gebraucht werden. Haben diese Begriffe einen Anflug, einen Geist von Utopie, werden sie sehr schnell von  den Marketingstrategen, den Werbefachleuten, der Politik usw. vereinnahmt und für ihre Zwecke eingesetzt und nicht selten missbraucht.

Um es vorwegzunehmen, „Nachhaltig ist das was noch hält, wenn alles andere nicht mehr hält“.
O-Ton von Ulrich Grober auf einem Vortrag in der Villa Ichon vor ca. 4 Wochen, in dem er auch sein Buch „Die Entdeckung der Nachhaltigkeit“ , Kulturgeschichte des Begriffes Nachhaltigkeit, vorstellte. (Wir werden das an den fürchterlichen Ereignissen in Japan bald durchdeklinieren müssen, welche Denkweisen und Verhaltensweisen, Arten und Weisen des Miteinander, Arten zu Wohnen, zu Wirtschaften und der Mobilität usw. noch halten, noch Halt geben.)

Wir können kaum noch ein Shampoo kaufen, das nicht nachhaltig gegen Schuppen oder fettiges Haar wirken will. Auch fast jede Politur für Möbel oder Autos will nachhaltig sein. Das geht bis zur Politik, die uns weismachen möchte, daß es auch nachhaltige Formen des Wirtschaftswachstums geben soll.

Die Nachhaltigkeit ist ein Begriff des kollektiven Gedächtnisses. Es gibt ihn schon seit über 300 Jahren und er spielte immer in Krisenzeiten eine Rolle. Als erstes ist er in der Forstwirtschaft gebräuchlich geworden, nachdem in England und Irland die Baumbestände in Folge des übermäßigen Schiffbaues stark geschädigt wurden. Nachhaltigkeit ist sozusagen als „Schutz“ vor dem Kollaps, als Gegensatz zum Kollaps gebraucht worden.  Wenn die Getreideproduktion in Frankreich 50 Jahre vor der Revolution zusammen zu brechen drohte oder eben die Holzbestände in England und Irland übernutzt wurden, wurde der Ruf laut, nachhaltig  zu wirtschaften und zu leben.

Dass nun gerade der Begriff der Nachhaltigkeit so gerne benutzt wird und damit eine derartige Renaissance erlebt, könnte daran liegen, dass er im kollektiven Gedächtnis schon lange verankert  und sehr leicht verständlich ist, da er sich von dem Grundwort Halt(en) ableitet. Seltsamerweise könnte eine Lebensweise, die Vorräte hält, also etwas vorhält, als nachhaltig betrachtet werden. Wie können wir uns nun schützen vor der wirtschaftlichen, politischen, modern gesprochen  imperialen Vereinnahmung schöner, guter und leicht verständlicher Begriffe.  Auch hierzu gab Ulrich Grober einen wertvollen Hinweis. Wir sollten wieder lernen, in Metaphern, in Bildern zu denken und zu sprechen.

Wir brauchen also ‚Die neuen Bilder des guten Lebens!‘. Wir sollten uns die Mühe machen, diese Bilder zumindest im Geiste auszumalen, ihnen Farbe und Dimension zu geben.  Und gute Bilder, schöne Bilder, starke Bilder, die tragen, in die Zukunft tragen, wären nicht so einfach interessengebunden zu vereinnahmen.“

PDF – 1_Nachhaltigkeit